Versetzung ins Home-Office nicht aufgrund von § 106 GewO möglich

Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmer nicht aufgrund von § 106 GewO anweisen, im Home-Office zu arbeiten. Der Arbeitnehmer verletzt seine arbeitsvertraglichen Pflichten nicht, wenn er einer solchen Weisung nicht nachkommt. Eine beharrliche Arbeitsverweigerung liegt nicht vor. Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis daher in einem solchen Fall nicht kündigen. Eine gleichwohl ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg in seinem Urteil vom 10.10.2018 – 17 Sa 562/18 – bestätigt.

Ablehnung der Home-Office-Tätigkeit keine beharrliche Arbeitsverweigerung

In dem von dem LAG Berlin-Brandenburg entschiedenen Fall war der Arbeitnehmer als Ingenieur für seinen Arbeitgeber tätig. Der Arbeitsvertrag enthielt keine Klausel, die dem Arbeitgeber die Änderung des Arbeitsortes gestattete. Nach einer Betriebsschließung bot der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer an, seine Tätigkeit künftig im Home-Office zu verrichten. Das lehnte der Arbeitnehmer ab. Der Arbeitgeber wertete das Verhalten des Arbeitnehmers als beharrliche Arbeitsverweigerung. Er kündigte das Arbeitsverhältnis außerordentlich aus wichtigem Grund, § 626 BGB.

Der Arbeitnehmer setzte sich gegen die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage zur Wehr. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht entschieden, dass die Kündigung unwirksam ist.

Die Wohnung des Arbeitnehmers gehört zur Privatsphäre und kann nicht einseitig vom Arbeitgeber in einen Arbeitsplatz umgewandelt werden

Warum haben Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht entschieden, dass die Kündigung unwirksam war?

Die Weisung des Arbeitgebers, im Home-Office zu arbeiten, war rechtswidrig.

Zum einen war der Arbeitnehmer nicht durch eine Klausel in seinem Arbeitsvertrag verpflichtet, die ihm angebotene Home-Office-Arbeit zu verrichten.

Zum anderen konnte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer diese Tätigkeit nicht im Rahmen seines Direktionsrechts nach § 106 GewO einseitig zuweisen. Zwar gestattet § 106 S. 1 GewO folgendes:

„Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.“

Sofern also der Arbeitsort im Arbeitsvertrag nicht festgelegt ist (z.B. „Arbeitsort ist die Betriebstätte des Arbeitgebers in Frankfurt am Main.“), kann der Arbeitgeber den Arbeitsort nach billigem Ermessen ändern. Die Wohnung des Arbeitnehmers ist hierbei aber tabu. Denn die Privatwohnung gehört zur Privatsphäre des Arbeitnehmers. Wie der Arbeitnehmer seine Wohnung nutzt, ist allein seine Sache.

Auch der Umstand, dass Arbeitnehmer grundsätzlich z.B. zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf an einer Arbeit im Home-Office interessiert sein können, führt nach der Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 10.10.2018 – 17 Sa 562/18 – nicht zu einer diesbezüglichen Erweiterung des Weisungsrechts des Arbeitgebers.

Zustimmung des Arbeitnehmers zur Tätigkeit im Home-Office notwendig

Ohne die Zustimmung des Arbeitnehmers kann der Arbeitgeber keine Tätigkeit im Home-Office von dem Arbeitnehmer verlangen. Grundsätzlich kann ein Arbeitnehmer seine Zustimmung formlos, d.h. auch mündlich, erteilen. Zu Beweiszwecken sollte jedoch stets eine schriftliche, zweiseitige Home-Office-Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen werden. Eine solche Vereinbarung kann bereits in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden. Eine Regelung zum Home-Office kann aber auch zu einem späteren Zeitpunkt in einem Nachtrag / einer Zusatzvereinbarung zum Arbeitsvertrag getroffen werden.

Umgekehrt besteht kein Anspruch eines Arbeitnehmers auf eine Tätigkeit im Home-Office

Will ein Arbeitnehmer von sich aus gern im Home-Office arbeiten, ist er umgekehrt ebenfalls auf die Zustimmung des Arbeitgebers angewiesen. Der Arbeitnehmer kann nicht verlangen, seine Tätigkeit vom Home-Office aus zu verrichten, sofern sich ein solcher Anspruch nicht aus seinem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder einem Tarifvertrag ergibt. Einen gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers auf eine Tätigkeit im Home-Office gibt es in Deutschland bislang nicht.

Home-Office – „Telearbeit“ oder „mobiles Arbeiten“

Home-Office ist kein gesetzlicher Begriff. Eine Tätigkeit im Home-Office kann sich sowohl als „Telearbeit“ als auch als „mobiles Arbeiten“ darstellen. Wie unterscheidet sich beides voneinander?

Telearbeit

Die Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) enthält eine gesetzliche Definition des Begriffs der „Telearbeit“. Nach § 2 Abs. 7 ArbStättV liegt ein Telearbeitsplatz vor, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

„Telearbeitsplätze sind vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.“

Ein Telearbeitsplatz setzt also eine Vereinbarung über die Rahmenbedingungen der Arbeit im Home-Office voraus und die vollständige Ausstattung des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgeber.

Ziel der ArbStättV ist allerdings die Sicherheit und der Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer. Die ArbStättV setzt Standards für die sichere Ausstattung eines Telearbeitsplatzes. Die Verordnung gibt Arbeitnehmern keinen Anspruch auf eine Tätigkeit im Home-Office.

Mobiles Arbeiten

Das sog. „mobile Arbeiten“ ist im Unterschied zur Telearbeit nicht gesetzlich definiert. Gemeinhin versteht man hierunter das flexible Arbeiten an einem beliebigen Ort außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte unter Einsatz moderner Kommunikationsmittel wie Laptop und Smartphone. Die Arbeit kann im Home-Office erledigt werden, ebenso aber auch im Hotel oder der Wohnung eines pflegebedürftigen Angehörigen.

Einen gesetzlichen Anspruch auf mobiles Arbeiten gibt es bis dato ebenfalls nicht.

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 07.02.2018, enthält im Abschnitt IV. 5. unter der Überschrift „Gute digitale Arbeit 4.0“ (S. 41 f.) lediglich folgende Absichtserklärung zur sog. mobilen Arbeit:

„Wir wollen mobile Arbeit fördern und erleichtern. Dazu werden wir einen rechtlichen Rahmen schaffen. Zu diesem gehört auch ein Auskunftsanspruch der Arbeitnehmer gegenüber ihrem Arbeitgeber über die Entscheidungsgründe der Ablehnung sowie Rechtssicherheit für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber im Umgang mit privat genutzter Firmentechnik. Auch die Tarifpartner sollen Vereinbarungen zu mobiler Arbeit treffen.“

Fazit: Home-Office bis auf weiteres in beide Richtungen freiwillig

Eine Tätigkeit außerhalb der betrieblichen Arbeitsstätte, sei es im Home-Office, sei es gänzlich mobil, setzt eine Verständigung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraus. Keine Seite kann von der anderen eine Tätigkeit im Home-Office erzwingen.